Beschreibung
Bei der unvollständigen Vereinigung der Oberarmgelenksrolle (IOCH) handelt es sich um eine Erkrankung des Ellbogengelenks, bei der die innere und äußere Gelenkrolle des Oberarmknochens während der Wachstumsphase nicht zusammenwachsen.Normalerweise erfolgt der Schluß dieser Wachstumsfuge im Alter von etwa 10 Wochen. Die Pathogenese ist noch nicht genau bekannt, es wird ein Zusammenhang mit der Ellbogendysplasie diskutiert.
In der Literatur wird die IOCH in größerer Anzahl bei Spanielrassen beschrieben und es wird ein polygener Erbgang vermutet. Aber auch bei anderen Rassen wird die Erkrankung beschieben, jedoch im Vergleich zu anderen Erkrankungen des Ellbogengelenks relativ selten.
Durch die verbleibende Wachstumsfuge resultiert eine Schwächung der Oberarmgelenkrolle und eine vermehrte Beweglichkeit der beiden Anteile der Gelenkrolle während starker Belastung. Der Gelenkknorpel entlang der Fuge reisst durch die vermehrte Beweglichkeit ein und durch Eindringen von Gelenkflüssigkeit in den Spalt kann eine Schmerzhaftigkeit mit Lahmheit resultieren.
Bedingt durch die Schwächung der Gelenkrolle ist durch ein Bagatelltrauma (z.B. Springen über einen Graben) ein Bruch des Oberarmes im Bereich des Ellbogens möglich, mit daraus resultierender hochgradiger Lahmheit. Insbesondere bei sportlich oder für die Jagd genutzten Hunden kann dadurch die Karriere als Gebrauchshund beendet sein.
© PD Dr. Andrea Meyer-Lindenberg
(Tierärztliche Hochschule Hannover, Klinik für kleine Haustiere)
Symptome und Diagnose
In vielen Fällen liegt eine Lahmheit unterschiedlichen Grades (meist nur leicht) vor, die manchmal nur vorübergehend sein kann. Allerdings zeigen nicht alle betroffenen Hunde eine Lahmheit. Bei der Untersuchung ist besonders das Strecken des Ellbogengelenks schmerzhaft.
Die Röntgenuntersuchung ist für die Diagnosestellung unerläßlich, wobei jedes Ellbogengelenk in zwei unterschiedlichen Ebenen geröntgt werden muß.
Behandlung
In der Tiho Hannover wurden betroffene Hunde operativ mit Zugschraube versorgt.
Ist es bereits zu einem Bruch gekommen, muß das Gelenk operativ versorgt und z.B. mit dünnen Drähten fixiert werden.
weiterführende Links
Bei Untersuchungen an der Tierärztlichen Hochschule Hannover (n=13) waren nur mittelgrosse Rassen betroffen. Dabei waren mehr männliche als weibliche Tiere erkrankt und über die Hälfte der erkrankten Hunde war zum Zeitpunkt der Diagnose jünger als ein Jahr.
http://elib.tiho-hannover.de/dissertations/heinenv_2002.html
http://elib.tiho-hannover.de/dissertations/heinenv_2002.pdf
Fallbeispiel 1
Deutsche Wachtelhündin
Aus dem Wurf von Hera, gew. 6.3.2002, hatte ich zwei Hündinnen behalten. Rosie war die etwas kleinere, im Verhalten nicht ganz so forsch wie die Schwester. Hin und wieder war sie mal etwas unsauber gelaufen, aber nie so stark dass man sagen konnte, sie würde einen Lauf schonen und nicht welchen, dann war wieder lange Zeit nichts zu bemerken. Das hat man schon mal bei Welpen, die einen Wachstumsschub machen, weshalb ich dem keine grössere Bedeutung beigemessen habe.
Anfang Oktober bekamen wir noch einen Welpen, eine Appenzeller Hündin. Für diese hatten wir vor dem Welpenzwinger mit ca. 50 cm hohen Gitterelementen einen kleinen Auslauf abgeteilt, während die anderen Hunde den ganzen Garten benutzen konnten. Die beiden Wachtelschwestern verstanden sich gut mit dem Neuzugang und konnten nachBbelieben in den kleinen Auslauf springen und wieder hinaus.
Eines morgens sehe ich sie über das Gitter springen wie gewohnt, sie schreit auf und setzt einen Vorderlauf nicht mehr auf.
Schlagartig wurde mir bewusst, was das sein müsste und ich bin mit ihr direkt in die Uni-Klinik Giessen gefahren. Das Ellbogengelenk war eben an dieser Wachstumsfuge, die bei IOCH betroffen ist, kompliziert gebrochen (gesplittert). Sie blieb sofort zur OP, wo die Brüche mit mehreren Drähten fixiert wurden. - Es ist in der Folgezeit schwierig einen so jungen Hund ruhig zu halten, der seine Kumpane draussen spielen sieht. Nur kurz Ausgang an der Leine, dann wieder zurück in die Hundebox. Im folgenden Frühjahr wurden in einer weiteren OP die Drähte wieder entfernt. Na Aussage der Klinik könnte durch die Gallusbildung und die Verknöcherungen an diesem Gelenk nichts mehr passieren.
Da sie als Zuchthund nicht mehr in Frage kam und auch wegen fehlender jagdlicher Prägung im ersten Lebensjahr nur bedingt einsetzbar wäre, habe ich sie als Familienhund abgegeben. Wie mir die Besitzer später erst mitteilten, musste sie noch einmal operiert werden, da ein kleines abgebrochenes Drahtstück, das man in Giessen nicht mit entfernt hatte, Probleme verursachte.
Studie VDW
Im Jahr 2002 rief der VDW zur Beteiligung an einer Studie auf:
Aufruf an Besitzer und Züchter von Deutschen Wachtelhunden !
An der Tierärztlichen Hochschule Hannover wird ab 2002 in Zusammenarbeit mit dem Verein für Deutsche Wachtelhunde eine Untersuchung durchgeführt, um die Inzidenz der Erkrankung bei dieser Rasse zu erforschen. Dafür sollen routinemäßig beide Ellbogengelenke von Hunden geröntgt werden, bei denen ein HD röntgen durchgeführt wird. Oder Hunde, bei denen eine Lahmheit vorliegt. Dazu müssen Röntgenaufnahmen beider Gelenke sowie eine Blutprobe eingesandt werden.
Bitte beteiligen Sie sich an dieser Untersuchung.
Als zu der Studie aufgerufen wurde, hatte ich vor, meine beiden Junghündinnen aus dem letzten Wurf untersuchen zu lassen. Aufgrund der schwerwiegenden Erkrankungen bevor sie ein Jahr alt wurden war röntgen und Auswertung im Folgejahr nicht möglich. Ein Jahr später wollte ich dann eine weitere Schwester (die übrigens lebenslang nie Probleme hatte und bis ins hohe Alter jagdlich eingesetzt wurde) und eine neu gekaufte Junghündin röntgen lassen auf HD/ED/IOCH. Da aber der TA die Aufnahmen verhunzt hatte und nicht an den VDW geschickt hat, konnte ich mich an der Studie nicht mehr beteiligen.
2004 wurde nur ein kurzer Hinweis als Ergebnis veröffentlicht:
Mittlerweile wurden die Untersuchungen des VDW abgeschlossen. Nach Angabe der Zuchtbuchführung wurden einzelne betroffene Hunde festgestellt, eine wesentliche Belastung der Rasse konnte jedoch nicht nachgewiesen werden.
weitere Fallbeispiele
Deutscher Wachterhund Rüde
Im Jahr 2015 wurde ich auf einen weiteren aktuellen Fall aufmerksam, der einen dreijährigen Hund betrifft. Dieser Hund wurde am Ellbogengelenk operiert und wird inzwischen jagdlich wieder eingesetzt.
Die Besitzer haben alle Erkenntnisse auf einer Website festgehalten, weshalb ich hier nicht näher darauf eingehe.
2019: die Website ist leider nicht mehr zugänglich
Beim VDW sind inzwischen weitere Fälle bekannt, wo Hunde wegen IOCH operiert werden mussten.
Die Verpflichtung zum ED-Röntgen (für Zuchthunde) besteht seit 2010. Ende 2013 wurde die Vorschrift zur Lagerung abgeändert, um mögliche Fälle von IOCH besser erkennen zu können. Die danach ausgewerteten Fälle werden veröffentlicht und in Dogbase eingetragen. Das hätte man auch gleich haben können, denn das Vorkommen dieser Erkrankung war bekannt.